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Das FPGA-Kochbuch

1 Einleitung

Mittlerweile sind FPGAs bei der Planung und Entwicklung komplexer Systeme nicht mehr wegzudenken. Dabei dienen diese Bausteine nicht mehr nur als Alternative zu anderen Lösungen, sondern ermöglichen völlig neue Anwendungen. Es werden nicht mehr nur einfache logische Verknüpfungen und Schaltwerke implementiert, sondern Algorithmen, Filterfunktionen und auch Prozessoren. FPGAs bieten damit eine völlig neue Möglichkeit der Realisierung digitaler Schaltungen. Gleichzeitig führen FPGAs zu einer drastischen Veränderung der Vorgehensweise bei der Entwicklung. Die Entwicklungskosten sind im Vergleich zu ASICs wesentlich geringer. Durch den Einsatz moderner Entwicklungswerkzeuge und die direkte Verfügbarkeit des programmierten Bausteins wird die benötigte Entwicklungszeit verkürzt. Produkte können somit schneller auf den Markt gebracht werden. Damit stellt die programmierbare Logik einen wesentlichen Beitrag zur Technologie der Zukunft dar.

Die Fähigkeit, die Funktion der Logik zu verändern, während ein Produkt beim Anwender in Betrieb ist, eröffnet eine große Vielfalt neuer Möglichkeiten. Zukunftsstrategen wie Wim Roelandts, Chef des größten FPGA-Herstellers Xilinx, sind davon überzeugt, daß bereits in wenigen Jahren in jedem Gerät mit digitaler Logik der wesentliche Teil dieser Logik aus programmierbaren Bausteinen bestehen wird. Das betrifft sowohl den Consumer-Bereich (Unterhaltungselektronik) als auch den industriellen Bereich. Nur die Schaltungsteile, die mit Sicherheit unverändert bleiben sollen, werden aus festverdrahteten Standardbausteinen bestehen. Die hauptsächlichen Verarbeitungseinheiten werden jedoch programmierbar sein. Damit wird es möglich, durch das Laden einer neuen Konfiguration das Gerät auf den neuesten Stand zu bringen und es so mit neuen Möglichkeiten auszustatten. Dieses Nachladen von Konfigurationen wird über das Internet oder andere Übertragungsmedien erfolgen.

Inzwischen sind FPGAs verfügbar, die sich sehr schnell rekonfigurieren lassen. Damit lassen sich rekonfigurierbare Systeme aufbauen, die nacheinander unterschiedliche Funktionen erfüllen können. Dieses alsReconfigurable Computing bezeichnete Prinzip kann benutzt werden, um spezielle Algorithmen zu implementieren und so die Berechnung zu beschleunigen.

Die FPGAs werden immer größer: 100.000 Gatter pro Chip sind bereits verfügbar, 400.000 in der Planung, und Optimisten rechnen mit 800.000 Gattern zur Jahrtausendwende. Diese Entwicklung wird insbesondere durch die Fortschritte in der Prozeßtechnologie getragen. Strukturbreiten von 0,25 µm und fünf Metallisierungsebenen sind in Planung, die 0,18 µm-Technologie bereits anvisiert. Die FPGAs befinden sich damit an der Spitze des technologischen Fortschritts. Dies hat auch seinen Grund, denn aufgrund ihrer regelmäßigen Strukturen sind FPGAs hervorragend dazu geeignet, neue Prozeßtechnologien "einzufahren". Auch die hohe Anzahl an Transistoren fordert die Fertigungslinie heraus. So hat z.B. der Baustein XC4085XL der Firma Xilinx mit 18 Millionen Transistoren etwa doppelt so viele wie Intel’s Pentium Pro Prozessor.

Während die Komplexitäten und Verarbeitungsgeschwindigkeiten der FPGAs ständig wachsen, sinken die Preise. Preissenkungen von 30% pro Jahr sind bei neuen FPGA-Familien durchaus üblich. Waren im Jahr 1990 die Kosten pro Logikgatter bei FPGAs noch 33 mal so hoch wie bei ASIC-Bausteinen, schrumpfte dieser Faktor bis 1995 auf den Wert 10 und wird im Jahr 2000 voraussichtlich bei zwei liegen. Damit ist ganz klar, daß sich der Markt in Richtung programmierbare Logik entwickeln wird. Die Preise werden weiter fallen und damit werden die FPGAs die maskenprogrammierten Gate Arrays – zumindest im unteren und mittleren Komplexitätsbereich – ablösen. Weiterhin werden die programmierbaren Bausteine als Ersatz für Standard-Logikbausteine dienen.

Zur Zeit werden FPGAs vorwiegend in industriellen Applikationen im Bereich der Telekommunikationstechnik und der Meß-, Steuer- und Regeltechnik eingesetzt. Der FPGA-Absatz ist damit nicht vom PC-Markt abhängig, und so sind weiterhin hohe Wachstumsraten im FPGA-Geschäft zu erwarten.

Anfang der 90er Jahre wurde geschätzt, daß der jährliche Umsatz der programmierbaren Logik gegen Ende des Jahrtausends die Grenze von einer Milliarde US-Dollar übersteigen wird. Das Wachstum war jedoch größer als angenommen, und so erreichte der Markt 1996 bereits über 2 Milliarden US-Dollar und soll nach den Prognosen der verschiedenen Marktforschungsinstitute bis zum Jahr 2000 auf 4 bis 6 Milliarden steigen. Nach einem durchschnittlichen Umsatzplus von 40% bis 57% pro Jahr für die komplexen Bausteine (FPGA und CPLD) werden für die nächsten Jahre Wachstumsraten von 30% erwartet. Bei den einfachen PLDs (= SPLDs) wird es dagegen eher einen Rückgang der Umsatzzahlen geben. Abbildung 1.1 veranschaulicht diese Angaben.

Hier ist im Buch eine Abbildung mit einem Balkendiagramm der Marktforschungsfirma Pace Technologies. Sie zeigt die Umsatzzahlen von SPLDs, CPLDs und FPGAs von 1993 bis 2000.

Abbildung 1.1 Umsatzzahlen der programmierbaren Logik in Millionen US$

Dieses beträchtliche Wachstum des Marktes und die Verfügbarkeit immer schnellerer und komplexerer Bausteine stellt eine neue Herausforderung dar. Es gilt, die Zeichen der Zeit zu erkennen und sich darauf einzustellen. Hierfür bietet dieses Buch die ideale Grundlage.

Um FPGAs optimal einsetzen zu können, ist ein fundiertes Wissen über die Technologie und Architektur der Bausteine erforderlich. Daher werden die allgemeinen und technischen Grundlagen erläutert und auch alle am Markt erhältlichen Bausteine umfassend vorgestellt. Neben der Auflistung der verschiedenen Eigenschaften werden auch deren Vor- und Nachteile diskutiert und Auswahlhilfen gegeben.

Im Gegensatz zu dem Schaltungsentwurf mit TTL-Bausteinen festgelegter Funktion, ist bei dem Entwurf von FPGAs ein anderes Vorgehen erforderlich. Die bisher notwendige, aufwendige, manuelle Optimierung der Schaltung und die Realisierung durch geeignete Grundelemente tritt in den Hintergrund. Der Entwickler arbeitet auf einer höheren Abstraktionsebene. Dies ist auch unbedingt erforderlich, um die gestiegenen Komplexitäten überhaupt beherrschen zu können. Genügten bisher Papier und Bleistift, um eine Schaltung zu entwerfen, so ist nun der Entwurf unbedingt rechnergestützt auszuführen. Zu diesem Zweck werden EDA- Programme (Electronic Design Automation) eingesetzt.

Der veränderte Entwurfsablauf und die modernen Designmethoden werden in diesem Buch vorgestellt. Eine wesentliche Rolle beim Entwurf von FPGAs spielen die verwendeten EDA-Programme. Deshalb werden die angebotenen Werkzeuge mit ihrem jeweiligen Leistungsumfang aufgelistet. Ein Kapitel mit Entwurfsrichtlinien, Beispielen und Tips und ein Ausblick in die Zukunft runden die Darstellung ab. Das ausführliche Glossar im Anhang hilft schnell aus dem Begriffsdschungel. Die umfassende Auflistung von Adressen und Informationsquellen ist ein unentbehrliches Hilfsmittel zur schnellen Orientierung.

Diese Buch bietet damit einen umfassenden Einstieg in die Welt der FPGAs, sowohl für Neulinge im Bereich des digitalen Schaltungsentwurfs als auch für Quereinsteiger aus dem Bereich der TTL- und CMOS-Bausteine oder aus dem Bereich der ASICs. Es ist damit für den Studenten der Elektrotechnik ebenso geeignet wie für den erfahrenen Entwickler. Gleichzeitig stellt das Buch ein ideales Nachschlagewerk bei dem praktischen Einsatz von FPGAs dar. Es kann jedoch nicht als Produktspezifikation für bestimmte FPGAs oder Entwurfswerkzeuge dienen. Dazu ist der Bereich der FPGAs zu dynamisch. Die FPGA-Technologie entwickelt sich rapide weiter. Die Bausteine werden ständig größer und schneller, neue Bausteinfamilien und Werkzeuge werden entwickelt. Es sollen daher vielmehr anhand der aktuell verfügbaren Produkte deren prinzipiellen Eigenschaften, Vor- und Nachteile erläutert werden. Die hier beschriebenen technologischen Grundlagen und prinzipiellen Vorgehensweisen beim Entwurf werden jedoch ihre Gültigkeit behalten. Zu detaillierten Einzelfragen ist immer die neuste Produktbeschreibung bzw. das neuste Datenblatt erforderlich.

Vorausgesetzt werden grundlegende Kenntnisse der Digitaltechnik, wie sie z.B. in dem sehr guten Buch [Kat94] und den weiteren Literaturangaben zur Einleitung im Anhang zu finden sind: digitale Signale, logische Grundfunktionen, boolsche Algebra, Schaltnetze und Schaltwerke inkl. Finite State Machines, zeitliches Verhalten, sowie synchrone und asynchrone Schaltungstechnik. Die Kapitel zwei bis sechs liefern ein grundlegendes Verständnis der Materie und sollten daher zuerst betrachtet werden. Die übrigen Kapitel können in beliebiger Reihenfolge gelesen werden.

Die weltweit vorherrschende Sprache im Bereich der Elektrotechnik und im Besonderen auch im Bereich der Mikroelektronik ist Englisch. Soweit jedoch eindeutige deutsche Begriffe und Bezeichnungen existieren, die einigermaßen gebräuchlich sind, so wurde in diesem Buch versucht, diese zu verwenden. Die entsprechenden englischen Fachbegriffe sind dann in der Form "(engl.: xxxx)" angegeben.


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